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Nutze die Sonne!

von Bernward Janzing

Agrar-PV im niederländischen Babberich
Agrar-PV im niederländischen Babberich © BayWa r.e.

Nutze die Sonne! Niemand hat für die Nutzung der Sonnenenergie so viel getan wie engagierte Privatbürgerinnen und -bürger, die ihre Dächer mit Photovoltaik-Modulen belegten. Das Potenzial wäre noch immer hoch –  wenn nur auch die Politik mitspielte.

Der Weizen wächst im Halbschatten der Solarmodule. Es ist ein ungewöhnliches Bild im Hügelland des Linzgau: Während einerseits hier das Feld bewirtschaftet wird, erntet man andererseits fünf Meter darüber Sonnenstrom – hoch genug, um auch mit großen Landmaschinen den Acker darunter bearbeiten zu können. Die Anlage nördlich des Bodensees, 194 Kilowatt stark, erstreckt sich über 0,3 Hektar, die von der Hofgemeinschaft Heggelbach bewirtschaftet werden. Die Kombination von Solarstrom und Ackerbau ist ein Forschungsprojekt des Fraunhofer- Instituts für Solare Energiesysteme (ISE).

Keine neue Idee – eigentlich. Schon vor Jahrzehnten hatte der Gründer des ISE, Adolf Goetzberger, das Konzept im Sinn; 1981 veröffentlichte er in der Zeitschrift Sonnenenergie einen „Vorschlag für eine besonders günstige Anordnung für Solarenergieanlagen in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Nutzung“. Goetzberger taufte das Verfahren Agrophotovoltaik (APV) – doch offenbar war die Zeit erst mehr als 30 Jahre später dafür reif.

Der Effekt der partiellen Verschattung ist natürlich je nach Pflanzenart unterschiedlich. Im Idealfall, so die Überlegung, nutzt man solche Kulturen, die unter intensiver Sonne gar leiden – und erzielt dann sogar Mehrerträge. Dass das ein realistisches Szenario ist, hat sich in den ersten Jahren in Heggelbach unter der badischen Sonne bestätigt: Drei der vier getesteten Kulturen erzielten unter dem Halbschatten der Anlage sogar höhere Erträge als auf der Referenzfläche ohne Solarmodule. Am stärksten im Plus lag der Sellerie mit einer Steigerungsrate von zwölf Prozent, aber auch Winterweizen und Kartoffeln hatten leichte Mehrerträge.

Für den solchermaßen überdachten Kartoffelanbau errechneten die Forscherinnen und Forscher aus Freiburg einmal eine „Landnutzungseffizienz“ von 186 Prozent: Das Feld habe 103 Prozent der Ernte erbracht, verglichen mit einem unverschatteten Acker. Zugleich habe die Solarstromanlage 83 Prozent des Ertrags einer normalen Freilandanlage generiert. Längst denkt man inzwischen auch andernorts über solche Synergien nach. Etwa Winzer, die Reben mit Solarmodulen überbauen möchten, um die Trauben zugleich vor Hagel und Starkregen sowie vor Sonnenbrand zu schützen. Auch bei leichtem Frost könne die Überdachung schützen, heißt es. Erste APV-Projekte gibt es auch schon in Nachbarländern: In den Niederlanden zum Beispiel überzieht eine Anlage eine große Himbeerplantage – Solarmodule ersetzen so den üblichen Folientunnel.

Viel Kreativität bei der Flächensuche

Bei der Suche nach geeigneten Flächen herrscht inzwischen ohnehin viel Kreativität. So wurden auch schon Module auf Seen installiert. Auf dem Baggersee Maiwald in Renchen im Ortenaukreis zum Beispiel ging 2019 eine schwimmende Photovoltaikanlage in Betrieb, fixiert auf Pontons, die am Ufer verankert sind. Mit einer Leistung von 750 Kilowatt sollen die Module rund zwei Drittel des Energiebedarfs des dortigen Kiesbetriebs decken. Das Fraunhofer- Institut hat in einer Potenzialanalyse ermittelt, dass auf Seen in stillgelegten Braunkohletagebauen schwimmende Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 2,74 Gigawatt errichtet werden könnten – das entspricht der Leistung von mehreren großen Braunkohlemeilern. So vielversprechend solche Projekte zum Teil auch sind, so befinden sich die meisten Photovoltaik-Anlagen in Deutschland nach wie vor auf Hausdächern. Im Oktober 2020 ging die zweimillionste Solarstromanlage auf einem Dach in Betrieb.

Dieser Part der Energiewende ist vor allem ein Erfolg der Privatbürgerinnen und -bürger, die den größten Anteil der Projekte realisierten. Ende 2019 erbrachten sie 32 Prozent der durch Photovoltaik erzeugten Gesamtleistung von 45,8 Gigawatt und waren damit die wichtigsten Akteure in der Solarstromerzeugung, gefolgt von Unternehmen mit knapp 25 Prozent und Landwirten mit 16 Prozent. Auf das Konto der kleinen und mittleren Energieversorger gingen indes lediglich gut sechs Prozent der Photovoltaikleistung im Land, und die großen Energiekonzerne kamen gar nur auf beschämende 0,2 Prozent, wie die Agentur für Erneuerbare Energien berichtet. Das Bürgerprojekt Solarwende wurde zuletzt allerdings massiv gebremst – durch die Politik. Die gesunkenen Einspeisevergütungen gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sind dabei gar nicht das hauptsächliche Problem, denn auch die Preise der Anlagentechnik sind in den letzten 20 Jahren um mehr als 90 Prozent gefallen. Vielmehr hat der Gesetzgeber die bürokratischen Hürden erhöht und den selbstproduzierten Solarstrom für Hauseigentümer künstlich verteuert.

Komplizierte gesetzliche Regelungen verhindern Projekte

Besonders Mehrfamilienhäuser sind betroffen. Während Vermieter auf dem Dach Solarwärme gewinnen und unkompliziert an die Mieter abgeben können, schuf man beim Strom komplizierte Regeln. Und man muss unterstellen: Dies geschah, um Solarstromerzeuger an der kurzen Leine zu halten. Dabei erklärte es die Bundesregierung 2017 vollmundig zum Ziel, jährlich auf Mehrfamilienhäusern neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von 500 Megawatt zu fördern. Doch binnen zweieinhalb Jahren kamen gerade 24 Megawatt an Mieterstromanlagen zusammen.

Das Regelwerk ist kompliziert und verleidet deshalb Interessenten oft derartige Projekte. Denn wer Solarstrom vom Dach an einen Bewohner des Hauses verkauft, wird formal zum Energieversorger mit allen Rechten und Pflichten – und einem enormen Verwaltungsaufwand. Und anders als beim Eigenverbrauch müssen Vermieter, die für ihre Mieter eine Photovoltaikanlage betreiben, die EEG-Umlage von aktuell 6,5 Cent pro Kilowattstunde, die sogenannte Sonnensteuer, zahlen.

Zwar gibt es Vermieterinnen und Vermieter, die sich von den eingezogenen Hürden nicht schrecken lassen und trotzdem tragfähige Lösungen finden, doch das Potenzial des sogenannten Mieterstroms wird dabei nicht ausgeschöpft. Und auch auf dem Eigenheim werden die Anlagen künstlich kleingehalten. Denn sobald die Anlage mehr als den Eigenbedarf deckt, beispielsweise auch den Nachbarn versorgen könnte, wird es für den Betreiber kompliziert und teuer. Dabei ist Deutschland auf den Solarstrom angewiesen, wenn es die Energiewende schaffen will. Anlagen mit einer Gesamtleistung von 500 Gigawatt – zehnmal so viel wie heute – müssten dafür bis 2050 gebaut werden, 15 Gigawatt jedes Jahr. 2020 waren es gerade einmal 4,9 Gigawatt. Ohne eine bestmögliche Nutzung der Dächer auch der Mehrfamilienhäuser ist das Ziel illusorisch.

Da Photovoltaik auf größeren, zum Beispiel kommunalen Gebäuden das klassische Metier von Energiegenossenschaften ist, leidet auch die Entwicklung des Genossenschaftswesens unter den gesetzlichen Blockaden. Und so ist auch der Boom der Energiegenossenschaften einstweilen vorbei: Während vor zehn Jahren in Deutschland pro Jahr noch bis zu 150 neue Bürgerunternehmen gegründet wurden, kamen im Jahr 2019 gerade noch 14 hinzu.

Freiland-PV als Hoffnungsschimmer

Etwas Hoffnung macht zumindest der Ausbau der Freilandphotovoltaik. Denn bei den Großanlagen wirkt die komplexe Rechtslage weniger störend. So nahm der Energiekonzern EnBW Ende 2020 in Brandenburg den Solarpark Weesow-Willmersdorf teilweise in Betrieb, der im Endausbau mit 187 Megawatt Deutschlands größter sein wird. Der Preis von 4,5 bis 5 Cent je Kilowattstunde, der an der Strombörse für Photovoltaikstrom aktuell zu erlösen ist, macht das Projekt auch ohne gesetzliche Vergütung wirtschaftlich. Vergleichbar meldete die Naturstrom AG, dass Sonnenstrom ohne jegliche EEG-Vergütung inzwischen konkurrenzfähig ist.

Dass Solarstrom die Zukunft ist, zeigt auch der Blick auf die globale Situation: Im Sonnengürtel der Erde lässt er sich noch erheblich billiger produzieren. Im Juli 2019 ging in Abu Dhabi das Solarkraftwerk Noor in Betrieb, dessen Strom mit zwei Dollarcents pro Kilowattstunde kalkuliert ist. Ein weiteres Projekt in Abu Dhabi ist zwar noch in Planung, soll aber bald Strom für 1,35 Dollarcents liefern. Und Saudi-Arabien setzt noch eines drauf: Bis 2030 soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung dort 50 Prozent betragen, die Investoren unterbieten sich bei den Preisen; den Zuschlag für das 600-Megawatt-Projekt Shuaibah IPP PV bekam ein Unternehmen, das nur 1,04 Dollarcent verlangte – ein neuer Weltrekord.

Bernward Janzing – ist freier Journalist in Freiburg. Als Naturwissenschaftler arbeitet er vor allem zu Umweltthemen, speziell rund um die Energie.

 

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